Börsen-Crashes und risikoreduziertes Investieren Teil 6: Risikoreduktion mit Trendfolgestrategien

Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser,

das Jahr 2022 neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu. Grund genug, in sich zu gehen und sich schon mal Gedanken darüber zu machen, was man im alten Jahr noch gerne erledigt haben möchte. Als ich vor einigen Tagen allein auf dem Rosenheimer Christkindlmarkt stand und mir meinen Ostfriesischen Teepunsch mit einem Schuss Extra-Rum schmecken ließ, war genau der richtige Zeitpunkt und die passende Stimmung dazu. 

Wie auch schon in den vorangehenden Jahren, habe ich all meine „To do’s“ für dieses Restjahr gedanklich in zwei Töpfe unterteilt: Themen die mir Spaß machen und solche, die ich als „leider absolut notwendige Spaßbremser“ einordne. Und wie schon in den vorangegangenen Jahren, so wird es auch dieses Jahr wieder der Fall sein, dass ich mich mit großem Elan und Enthusiasmus auf die freudigen Themen stürze und den Rest dann noch kurz vor Silvester notgedrungen auf den letzten Drücker erledige.

Eine Aufgabe, die mir sehr am Herzen liegt und mir auch große Freude bereitet, ist meine mehrteilige Artikelserie „Börsen-Crashes und risikoreduziertes Investieren“. Insofern ist es also nicht verwunderlich, dass sich meine noch fehlenden Beiträge dieser mehrteiligen Reihe im „Spaß-Topf“ befinden und daher mit Priorität eins abgearbeitet werden. Also auf ans Werk …

Und hier geht’s weiter …



Im vorangegangenen Teil der Reihe „Börsen-Crashes und risikoreduziertes Investieren“ ging es um das Thema „Risikoreduziert investieren durch Diversifikation“, eine ebenfalls wichtige Komponente zur Risikoreduktion beim boerse.de-Weltfonds. In diesem Editorial geht es nun um die dritte Stufe zur Risikoreduktion im Weltfonds: den Einsatz von Trendfolgestrategien. 

So war’s früher …



Als ich Anfang 1997 mein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität in München beendet habe, war die technische Aktienanalyse (also die visuelle Chart-Analyse und das Auswerten von technischen Indikatoren) in der akademischen Welt ziemlich verpönt. Herrschende Lehre war damals die Theorie der informationseffizienten Märkte, nach der sich sämtliche Informationen bereits im aktuellen Aktienkurs widerspiegeln, weshalb eine Auswertung von allgemein verfügbaren Informationen – und so insbesondere von historischen Aktienkursen – keinen Mehrwert für die Prognose der zukünftigen Kursentwicklung liefert. Trifft diese Hypothese tatsächlich zu, so sind auch sämtliche Trendfolgestrategien – und seien sie noch so ausgefeilt – zum Scheitern verurteilt

Meb Faber’s „Quantitative Approach to Tactical Asset Allocation“



Im Jahre 2007 veröffentliche Mebane T. Faber auf der Research-Paper-Plattform SSRN und im Journal of Wealth Management eine methodisch eher einfach gehaltene Studie mit dem Titel „A Quantitative Approach to Tactical Asset Allocation“. In der dort durchgeführten Analyse hat der Autor den häufig in der Investmentpraxis herangezogenen 200-Tage-GD-Indikator (GD steht dabei für „gleitenden Durchschnitt“) zur regelgebundenen Steuerung einer taktischen Asset Allocation über verschiedene Anlageklassen überprüft.

Da in der Studie nicht mit Tagesdaten, sondern mit Monatsdaten gearbeitet wurde, kam alternativ der Zehn-Monats-GD als entsprechendes Pedant zur Anwendung. Die analysierte Anlagestrategie sieht wie folgt aus: Liegt der aktuelle Monatsschlusskurs eines Assets über seinem Zehn-Monats-GD, so wird von einem Aufwärtstrend ausgegangen und das entsprechende Asset gekauft bzw. weiter gehalten. Befindet sich der aktuelle Monatsschlusskurs hingegen unter seinem Zehn-Monats-GD, so wird in Cash umgeschichtet. Als Ergebnis zeigte sich in der Studie, dass die einfache Trendfolgestrategie eine deutliche Reduktion des Risikos bewirkt, was wiederum zu einer überlegenen risiko-adjustierten Performance führt. 

In der nachfolgenden Abbildung ist die Wertentwicklung des deutschen Aktienindex Dax auf Monatsschlusskursbasis seit Oktober 2019 dargestellt. Zusätzlich ist das Zehn-Monats-GD-Signal eingetragen, das Werte von 1 (aktueller Kurs liegt über Zehn-Monats-GD) und 0 (aktueller Kurs liegt unter Zehn-Monats-GD) annehmen kann. 



Wie aus der Grafik ersichtlich ist, hat der einfache Indikator auch in der jüngsten Vergangenheit gute Dienste geleistet. So ist das Signal zu Beginn des Corona-Einbruchs (Anfang 2020) ziemlich zügig von der Kauf- bzw. Halten-Phase (Indikatorwert von eins) in die Desinvestment-Phase (Wert von null) gewechselt. Im Anschluss an den Corona-Rückgang kam es zu einer deutlichen Wertaufholung im Dax, wobei hier der Indikator überwiegend den richtigen Wert von eins aufgewiesen hat (bis auf einen kurzen Rücksetzer). Zu Jahresbeginn kam es aufgrund des Ukraine-Konflikts sowie des Inflations- und Zinsanstiegsszenarios zu einem deutlichen Wertrückgang im Dax. Und wie die Abbildung zeigt, hat der Indikator auch in dieser Phase überwiegend den richtigen Wert von null aufgewiesen. 

Und so ging’s weiter … 



Die einfach gehaltene Studie von Meb Faber wurde mittlerweile mehrmals einem Zahlen-Update unterzogen und erfreut sich auch heute noch großer Popularität. So belegt das Paper mit 257.045 Downloads per 8. Dezember 2022 bei SSRN den zweiten Platz unter den All-Time-Top-Downloads. 

Mittlerweile existieren diverse weitere Studien, die das Risikoreduktionspotenzial von Trendfolgestrategien eindrucksvoll dokumentieren. Zu nennen ist hier insbesondere der Beitrag „The Best of Strategies for the Worst of Times: Can Portfolios be Crisis Proofed?“, veröffentlicht von dem renommierten Finanzprofessor und Berater Campbell Harvey zusammen mit seinem Autoren-Team. In der 2019 im Journal of Portfolio Management erschienenen Studie wird eindrucksvoll die relative Vorteilhaftigkeit einer Risikoreduktion mithilfe von Trendfolgestrategien gegenüber alternativen Ansätzen gezeigt. 

Seit geraumer Zeit liegen auch diverse wissenschaftliche Analysen aus der Behavioral-Finance-Forschung vor, die das Zustandekommen von Trends plausibel erklären können. Nur wenn es nachhaltige Argumente gibt, dass sich Märkte auch zukünftig in Trends bewegen, macht der Einsatz von Trendfolgestrategien zur Risikoreduktion zukunftsgerichtet Sinn. 

Unsere Erfahrung und die logische Konsequenz daraus … 



Bereits seit dem Jahr 1987 gibt mein enger Freund Thomas Müller in seinem Börsenverlag den Trendbrief heraus. Seine langjährige Erfahrung aus dem Bereich der Trendfolge deckt sich dabei ziemlich genau mit meinen Erkenntnissen auf diesem Gebiet sowie den mittlerweile umfassend vorliegenden wissenschaftlichen Befunden. Dies erklärt auch, warum Trendfolgealgorithmen im boerse.de-Weltfonds als wichtiger Baustein zur Risikoreduktion eingesetzt werden. 

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass ich noch diverse Aufgaben in meinem „To do“-Topf für dieses Jahr habe, die mir so viel Spaß und Freude bereiten wie das Schreiben dieses Beitrags. Ihnen wünsche ich viel Erfolg beim risikobewussten Investieren und hoffe, dass Sie das Thema „Trendfolgestrategien“ nicht nur mit dem Aspekt Renditesteigerung in Verbindung bringen, sondern dabei insbesondere auch an das Thema Risikoreduktion denken.

Auf bald,

Ihr Hubert Dichtl

PS: Sollten Sie Lust verspüren, das Thema „Risikoreduktion im boerse.de-Weltfonds“ gerne persönlich mit mir in lockerer Atmosphäre zu diskutieren, lade ich Sie herzlich zu einem der nächsten Rosenheimer Investorenabende ein, die im Januar 2023 wieder neu starten.